Party und Polizei im Jobcenter

Dies ist ein Auszug eines ausführlichen Berichts von Die KEAs e.V. ganzer Bericht hier

Köln, 07.10.2019
Die Securities waren überrascht – doch es war zu spät, das Geschehen zu stoppen. Fröhliche Menschen mit Partyhüten, Luftschlangen und merkwürdigen Würstchen am Stock strömten in die Wartehalle des Jobcenters Köln-Porz.

Party Stimmung und Transpartent in der Wartehalle des Jobcenters
Party Stimmung und Transparent in der Wartehalle des Jobcenters


Der Wagen mit einem großen Gebilde „Goldener Haufen lächerlicher Scheiße“ wurde zwar gestoppt. Doch wundersamer Weise löste sich das Kunstwerk von seinem Wagen und wurde mit flinken Händen über die Köpfe und ebenfalls in die Wartehalle des Jobcenters Köln-Porz getragen.
Wie üblich war diese überfüllt, und eine lange Schlange wartender Menschen bestaunte das folgende Geschehen.

Musik ertönte, Konfetti, Luftschlangen, tanzende „lächerliche Würstchen“ am Stock. Und mittendrin der „Goldene Haufen rassistischer und klassistischer Scheiße“.

Erwerbslose und Freund*innen feiern eine lustige „Arme Würstchen Party“, locker und cool und direkt in der Wartehalle des Jobcenters Köln-Porz. Es ist die lustige Antwort auf einen anonymen Beleidigungs- und Drohbrief, den die Beratungsstelle Die KEAs e.V. (Kölner Erwerbslose in Aktion) erhalten hat. Der Brief trägt einen offiziellen Stempel aus dem Jobcenter und scheint mit der Hauspost versendet worden zu sein.

Während Kinder Luftballons geschenkt bekommen, leise Party-Tröten und lustige Musik ertönen, wird auch immer wieder die Forderung der Feiernden wiederholt: Wir möchten mit der Leitung des Jobcenters Köln-Porz sprechen! Ein kleine Überraschnung in Form einer Auszeichnung wartet nämlich auf diese.

Große Goldener Haufen lächerlicher Scheiße
Mitarbeiter*innen sind nicht begeistert: Großer Goldener Haufen lächerlicher Scheiße vor dem Counter des Jobcenters


Und so stehen sie mit 30 Leuten in der Wartehalle und verlangen tanzend und trötend, die Standortleitung zu sehen. Nach einigem Hin- und Her ist es endlich soweit. Unter Applaus und leisem Getröte wird das Erscheinen der Standortleiterin in der Wartehalle begrüßt. Doch anstatt sich Zeit zu nehmen und nach den Grund der „Arme Würstchen Party“ zu fragen, ist ihr mehr an Ordnung gelegen. Die Musik solle aus, alle sollen raus. „Die Polizei ist informiert. Die Polizei wird gleich da sein.“ Der Betriebsablauf dürfe nicht gestört werden.

Aber was das Jobcenter unter Kommunikation und Reden versteht, zeigte sich schon gleich vor der Eingangstür. Die Standortleitung hatte tatsächlich die Polizei gerufen und diese wollte sich jetzt in das Geschehen einmischen.

Nun, dann eben im Beisein von Securities und Staatsmacht. Erneut wurde das anonyme Beleidigungsschreiben vorgelesen. Es war ganz still, und Standortleitung und die Umstehenden trauten ihren Ohren kaum, als sie den Wortlaut des Schreibens hörten.

Feierliche Übergabe des „Goldenen Haufens lächerlicher Scheiße“ an die Standortleitung
Der Festakt erreichte seinen Höhepunkt: Die Überreichung der Auszeichnung „Goldener Haufen rassistischer und klassistischer Scheiße“ oder, wie im anonymen Brief kurz gesagt, „ein lächerlicher Haufen Scheiße“.

Frau Verbeeten bekommt die Auszeichnung überreicht
Frau Verbeeten bekommt den kleinen Goldenen Haufen Scheiße überreicht



Wundervoll, auf einer Klorolle drapiert, vergoldet und beschriftet, thront das Kackhäufchen, doch die Leiterin will und will es einfach nicht entgegen nehmen. Bemüht schaut sie weg, unterhält sich mit der Polizei und reagiert auch dann nicht, als ihr die wertvolle Auszeichnung schlussendlich feierlich vor die Füße gelegt wird. Nur ein verstohlener Blick.
Bloß keine Emotionen zeigen, als ginge sie das alles gar nichts an, was in ihrem Hause passiert. Kaum ein Wort zu dem Brief; man würde sich kümmern; und kein Wort zum verpatzten Empfang der Auszeichnung.

Arme Würstchen? Hartz IV abschaffen!
“Arme Würstchen? Hartz IV abschaffen!”


Die Polizei nervt, aber kann der Partystimmung keinen Abbruch tun.
Für die Standort-Leitung geht es erst einmal um die „Bereinigung“ der Hofeinfahrt. Die Verstärkung der Hüter der Ordnung ist inzwischen eingetroffen. Der Grill vor den Toren des Jobcenters ist eingeheizt und die Meute will hungrig nun zum zweiten Teil der Party – mit Sekt und Würstchen – übergehen.
Unvermittelt stoppt die Polizei die gehenden Partygäste und versucht, sie am Verlassen des Jobcenter-Parkplatzes zu hindern. Eine leicht absurde Situation, wollte die Mitarbeiter*innen die Aktivist*innen doch eher schneller als später los werden.
So ganz ist es wohl auch nicht geglückt. Einige Unbeteiligte wurden willkürlich der Teilnahme an der Party verdächtigt, Inklusion wurde unvermittelt so ausgelegt, dass sich auf einmal auch Rollstuhlfahrer verhaften lassen müssten.

Polizei und Aktivist*innen vor Jobcenter Köln Porz
Polizei und Aktivist*innen vor Jobcenter Köln Porz


Doch die Einschüchterung funktionierte nicht ganz. „Dann nehmen Sie doch meine Personalien auf, dann zeigen Sie mich doch wegen angeblichem Hausfriedensbruch an, das stört mich überhaupt nicht!“, erschallt es halb belustigt, halb erbost über den Parkplatz. Und alle stimmen ein. „Mich stört’s auch nicht“. „Mich auch nicht“. „Na, dann macht mal“.

Niemand geht allein zum Amt!
„Niemand geht allein zum Amt“, hieß es schon kurz nach Einführung der Hartz IV-Gesetze. Und so ist es auch bei Protesten und Aktionen. Gegen die Vereinsamung und Isolierung in der Gesellschaft hilft gemeinsames Handeln.
Gegen das Ausgrenzen und Diskriminieren aufgrund von Armut oder der vorgeblichen sozialen oder geographischen Herkunft hilft der Zusammenhalt.

Erwerbslosigkeit ist weder persönliches Schicksal noch schuldhaftes Vergehen!
„Wir schließen uns zusammen, denn wir sind zwar erwerbslos, aber nicht wehrlos. Uns motiviert der anonyme Brief, denn er zeigt uns, dass die Proteste im Jobcenter angekommen sind und sich unser Widerstand lohnt. Ihr werdet uns nicht los, wir sind Viele und wir werden mehr.“, so die Aktivist*innen von Die KEAs e.V. und der Initiative erwerbslos nicht wehrlos.

Und zum Schluss gab’s dann doch noch eine spontan angemeldete Versammlung. Mit Chips, Sekt, Selters und einigen Würstchen!

Hartz IV abschaffen!
Reichtum verteilen – Armut abschaffen!

Grillen vor den Toren des Jobcenters
Die Party geht weiter: Grillen vor den Toren des Jobcenters